Johannes Eisenberg, Rechtsanwalt
Berlin, 18. August 1999

An
Staatsanwaltschaft 1 bei
dem Landgericht Berlin
10548 Berlin

AZ 332/,98 e/ma
In der Strafsache
gegen unbekannt
wegen des Todes des Boris F-----
1 Kap Js 1995/98

teile ich nach Durchsicht des bisherigen Ergebnisses der Ermittlungen mit, daß sich nach hiesiger Auffassung und nach Auffassung der Hinterbliebenen des Getöteten der Anfangsverdacht für das Vorliegen eines Kapitalverbrechens eher verstärkt hat, wenngleich wir nicht verhehlen wollen, daß jetzt auch wir im Moment erfolgversprechende Hinweise auf Kreise, in denen die Mörder zu suchen sein könnten, nicht nennen können.

Das Ergebnis der ergänzenden Untersuchung des Mageninhalts des Getöteten (Beiakte Obduktionsband Bl. 57 sowie Bl. 59) erweist, daß der Mageninhalt dem entspricht, was der Getötete am 17.10.1998 gegen 13.00 Uhr im mütterlichen Haushalt zuletzt verzehrt hat, nämlich Spagetti mit frischem, von der Mutter geschnittenen Basilikum und frischem Käse.

Nach Durchsicht der Akte und Beschreibung das Mageninhaltes ist davon auszugehen, daß hier ein Verdauungszeitraum nicht länger als wenige Stunden, höchstens vier Stunden zugrunde zu legen ist.

Es ist im Moment nicht erkennbar, daß Anhaltspunkte dafür beständen, daß der Getötete vier Tage nach dem letzten Verzehr von Lebensmitteln im mütterlicher Haushalt erneut genau das selbe gegessen hat, zumal dies nach Schilderung seiner Mutter nicht etwa ein besonderes Lieblingsessen des Getöteten war, sondern von ihr an diesem Mittag kredenzt worden ist und der Getötete dies klaglos wie jedes andere Mittagessen auch verzehrt hat.

Wir bitten daher für den Fall, daß die Staatsanwaltschaft nicht davon ausgehen will, daß dieser Mageninhalt von diesem Verzehr am Sonnabend mittag stammt, kriminaltechnisch untersuchen zu lassen die Schnittspuren an den dort vorgefundenen Salat- bzw. Basilikumbeimengungen. Die Mutter des Getöteten ist bereit, ihre damals verwandte Schere zur Verfügung zu stellen für Vergleichsuntersuchungen.

Die Sache ist für das Vorliegen eines Tatverdachtes und Annahme eines Fremdverschuldens bei der Tötung von erheblicher Bedeutung. Der Verdauungsprozeß endete mit dem Tode. Wenn die Nahrung, die er Samstag mittag eingenommen hat praktisch in einem Verdauungszustand nach 3 - 4 Stunden erhalten ist, müßte der Todeszeitpunkt eben Samstag nachmittag gegen 16.00 bis 17.00 Uhr eingetreten sein. Dieses Ergebnis ist aber unvereinbar mit den Feststellungen des Sachverständigen Prof Dr. Schneider (Dr. Rothschild).

Wenn dann der Leichnahm nicht über Tage hinweg unter Kühlhausbedingungen verwahrt wurde, bevor man ihn aufhängte, müßte hier einer Erklärung nachgegangen werden.

Ist er aber unter Kühlhausbedingungen aufbewahrt worden, so liegt darin ein greifbarer Hinweis auf Fremdeinwirkung.

Eisenberg, Rechtsanwalt Impressum