A. Müller-Maguhn, Postfach -----, D-10048 Berlin

Senatsverwaltung für Justiz
Frau Karin Schubert
D - 10825 Berlin
Salzburger Str. 21-25

 

Berlin, den 04.08.2003

Az.: 1 Kap Js 1995/98

Todesfall Boris F----, geb. 08.06.1972, tot aufgefunden 22.10.1998

 

Sehr geehrte Frau Schubert,

ich wende mich hiermit im Auftrag und gemeinsam mit den Eltern des verstorbenen Boris F---- an Sie. Sein Tod in Berlin am 17.10.1998 war Gegenstand eines mehrjährigen Ermittlungsverfahrens das von der Staatsanwaltschaft am 18.05.2001 eingestellt wurde.

In dem öffentlich als "Tod des Hackers Tron" bekanntgewordenen Fall wenden wir uns an Sie, da wir nach entsprechende Beschwerde bei der Generalstaatsanschalt im Kontext der ergebnisoffenen Verfahrenseinstellung zwei grundlegende Verhaltensmuster erleben, die uns veranlassen Ihnen den Vorgang zur Prüfung einzureichen:

1. Unsere Bemühungen, die Staatsanwaltschaft auf nicht durchgeführte Untersuchungen und andere Möglichkeiten der Nachweise eines Mordes hinzuweisen wurden mehrmals mit dem Hinweis ignoriert, diese Maßnahmen seien nicht geeignet, die Beteiligung eines bestimmten Täters nachzuweisen.

2. Unsere Bemühungen, die Staatsanwaltschaft mit Hinweisen auf mögliche Täter bzw. Tätergruppen, Motive und diesbezügliche Zeugen und Beweismöglichkeiten hinzuweisen wurden in der Annahme eines Suizids bisher vollständig ignoriert.

Mit den in der Anlage beigefügten beispielhaften Auszügen aus dem Geschehen versuchen wir Ihnen eine grobe Bewertung zu ermöglichen und Gründe für die Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens zu geben, damit die Beweismöglichkeiten für ein Fremdverschulden des Todes - sprich für einen Mord - getätigt werden.

Für uns steht nicht die Suche nach einem Täter im Vordergrund, sondern die Feststellung, dass ein Verbrechen vorliegt. Die Anerkennung der Tat sehen wir als wesentliche Voraussetzung für Gerechtigkeit. Dies ist nicht gegeben solange der Fall offiziell als Selbstmord gilt. Solange der Tod von der Staatsanwaltschaft als Selbstmord gilt, werden Hinweise, Zeugenaussagen und Beweismittel ignoriert.

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Die Asservate sind noch unter polizeilichem Siegel und notariellem Verschluss, auch die Zeugenaussagen und Hinweise auf Täter und Motivationen warten auf Ihre Bearbeitung.

Der als "Tod des Hackers Tron" bekanntgewordene Fall führte seit 1998 zu internationalen Berichten in Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen sowie mehreren Vorträgen auf Kongressen. Eine Auswahl von Artikeln finden Sie auf der Internet-Seite www.tronland.net - die mit rund 60.000 Besuchern (in 20 Monaten) bisher auch das öffentliche Interesse deutlich dokumentiert.

Gerne hätten wir Ihnen in einem kurzen Gespräch die wesentlichen Eckpunkte des Falles dargelegt. Für Rückfragen zu diesem Brief und den in der Anlage beigefügten Aufzählungen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.


Mit freundlichen Grüßen,

Andy Müller-Maguhn                                                                                                [Die Mutter von Boris F.] 

Sprecher Chaos Computer Club e.V.

 

 

Anlage: Erläuterungen zu Punkt 1 bis 5

1. Die Untersuchungen im Kontext des Aufhängung mit einem Gürtel, der nachweislich nicht dem Verstorbenen gehörte und nicht von ihm getragen wurde.

2. Eine ursprünglich bereits angeordnete aber nicht durchgeführte Untersuchung, ob sich am Strangwerkzeug überhaupt DNA des Toten befand, d.h. er dieses Strangwerkzeug selbst konstruiert hat.

3. Eine ursprünglich ebenfalls angeordnete aber nicht durchgeführte Untersuchung, ob Boris F. überhaupt selbst auf den Baum geklettert ist, an dem er erhängt aufgefunden wurde.

4. Eine Interpretation der erfolgten Untersuchung der Schneidkanten des Erhängungswerkzeuges, dessen Ergebnis besagt, dass das zum Erhängungswerkzeug korrespondierende Drahtstück am Fundort nicht mehr vorhanden war.

5. Die Durchführung einer auch von den Gerichtsmedizinern als sinnvoll deklarierten Untersuchung im Bezug auf den Mageninhalt des Verstorbenen, mit denen die erheblichen Zweifell am offiziellen Todeszeitpunkt und die entsprechenden Nachweise für eine Fremdeinwirkung nachgewiesen werden könnten.

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Anlage -1-

Erläuterung zu Punkt 1: (Untersuchung des Gürtels)

Nachdem vorläufigen Abschluss des Verfahrens wurden die Asservate freigegeben und am 06.03.2002 von den Eltern des Verstorbenen, einem Zeugen und RA Kaleck abgeholt und im verschlossenen und versiegelten Zustand zunächst zur notariellen Verwahrung gebracht.

Am 07.03.2002 wurde der Karton mit dem Gürtel, an dem Boris F. aufgehängt aufgefunden wurde, unter notarieller Aufsicht und Dokumentation des Vorgangs auf Video geöffnet. Der Gürtel wurde - ohne ihn aus der durchsichtigen Plastikbeutel zu nehmen - vermessen und analysiert.

Schon durch die Längenabmessung des Gürtels kann ausgeschlossen werden, daß es sich hierbei um den Gürtel des Verstorbenen handelt. Mit einer Länge von 114 cm (inkl. 3 cm Schnalle) ist der Gürtel deutlich zu lang; der damit mögliche minimale Taillenumfang beträgt 93 cm.

Boris F. hatte einen dermaßen geringen Taillenumfang, daß er nicht nur die kürzestmöglich erhältlichen Gürtel in einer Länge von 85 cm trug, sondern auch zum festen Halt der Hose an der Taille stets zusätzliche Löcher in diese Gürtel einstanzte. Damit ist es defakto ausgeschlossen, daß der Gütel, der als Strangwerkzeug diente, von ihm selbst jemals getragen wurde.

Der hier gefundene Gürtel hat sichtbare Gebrauchsspuren an einem Loch, was auf einen Taillenumfang von ca. 96 cm des Gürtelträgers hinweist.

Da dieser Gürtel nicht um die Taille von Boris F. schließbar war, stellt sich die Frage nach dem Verbleib seines eigenen Gürtels. Denn daran war sein Mobiltelefon eingeklipt und seine Werkzeugtasche eingeschlauft. Diese beiden Gegenstände wurden nahe des Baumes am Boden gefunden, von seinem Gürtel aber jede Spur.

Eine ausführliche Beschreibung der durchgeführten Untersuchungen ging zusammen mit dem Protokoll des Notars als Schriftsatz vom 18.03.2002 der Staatsanwaltschaft Berlin von RA Kaleck zu.

In seiner knapp einseitigen Antwort des Staatsanwalt Bauer vom 08.05.2002 stellte dieser lapidar fest, " Dass die Möglichkeit besteht, auch mit einem >fremden< Grütel Selbstmord zu begehen, liegt auf der Hand [...]".

Daraufhin ging mit Schreiben des RA Kaleck vom 14.06.2002 ausführliche Beschwerde über die mangelnde Würdigung von Beweismöglichkeiten zusammen mit einer ausführlichen Schilderung von Ermittlungsanhalten die ein Motiv für die Ermordung von Boris F---- im Kontext von Zeugen, die bereits im Verfahren vernommen wurden.

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Anlage -2-

Die diesbezügliche Antwort der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 17.07.2002 (Frau Nielsen) würdigte die Beweismöglichkeit ebenfalls nicht, sondern stellte korrekt - aber an der Sache vorbei fest - daß der "hinzugetretene Umstand, nicht die Möglichkeit erhöht, dass die von Ihnen geforderte Spurenauswertung zum Nachweis der Täterschaft einer bestimmten Person würde beitragen können."

Dazu ist festzustellen:

1. Die Feststellung des Staatsanwaltschaft geht nicht auf die Nachweismöglichkeit eines Mordes und die Feststellung von Spurenmaterial des Mörders ein.

2. Selbst wenn man mit dem Gürtel als Spurenmaterial nur nachweisen kann, daß der Boris F. den Gürtel nicht selbst angefasst hat, also sich nicht selbst umgebracht hat, können Hinweis auf mögliche Täter auch aus dem Brief von RA Kaleck 14.06.2002 sowie aus den Ermittlungsakten gewonnen werden.

3. Die insbesondere in den Jahren 1998 und 1999 getätigten Zeugenaussagen auf mögliche Täter wurden damals von den Ermittlungsbehörden ignoriert, weil die Staatsawnaltschaft der festen Überzeugung eines Suizids war.

 

Erläuterungen zu Punkt 2: (DNA am Strangwerkzeug (Draht))

2. Eine vom LKA Berlin am 23.10.98 in Auftrag gegebene Untersuchung auf seine DNA an einer Drahtkonstruktion oberhalb des Gürtels, ob Boris F. diese je selbst angefasst hatte, wurde bis heute nicht durchgeführt.

RA Kaleck wies die Staatsanwaltschaft in seinem Brief vom 26.03.2002 auf entsprechende Aussagen der Eltern hin, daß diese Drahtonstruktion nicht vom verstorbenen Boris F. stammen könne. Die Eltern wiesen darauf hin, daß Boris F. Probleme mit Schleifenkonstruktionen hatte und deswegen Schuhe mit Klettverschluss trug.

Noch wenige Tage vor seinem Tod hatte Boris F. Schwierigkeiten bei Gartenarbeiten einen Drahtzaun mit seinem Vater zu reparieren. Der Draht des Strangwerkzeugs ist derart kunstvoll und gekonnt mit dem Gürtel verknotet, daß die Eltern ausschliessen, daß ihr Sohn diese Konstruktion erstellte.

Die Ausführungen des RA Kaleck vom 26.03.2002 an die Staatsanwaltschaft dienten dem Hinweis, daß man mit einer bloßen Feststellung, ob sich die DNA von Boris F. an dem Draht befindet, bereits nachweisen kann, ob Boris F. selbst das Strangwerkzeug konstruiert hat.

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Anlage -3-

Eine Sicherung von DNA Material vom Draht wurde 1998 vom LKA veranlasst, eine Auswertung erfolgte aber nicht. Dem Strangwerkzeug lag als weiteres Asservat ein Behältniss mit der Beschreibung "div. Objektträger mit dna-faehigem Material vom Guertel, durch LKA PTU 42 gesichert" bei. Sollte es sich dabei um Proben nicht vom Gürtel sondern vom Draht handeln, so könnte man diese untersuchen. Ansonsten bitten wir vom Draht DNA Material abzunehmen.

Dies war bereits Gegenstand einer ausführlichen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den in der Sache zuständigen Staatsanwalt Herr Bauer, der von der Generalstaatsanwaltschaft (Frau Nielsen) am 18.10.2001 wie folgt beantwortet wurde:

"Eine zunächst in Aussicht genommene DNA-Analyse von möglichen Spuren am Strangwerkzeug, war ebenfalls nicht geeignet, weiterführende Hinweise zu erbringen. (...) Selbst wenn das Material am Gürtel einer anderen Person als dem Opfer zugeordnet werden könnte, ließe sich allein aufgrund eines solchen Umstandes vorliegend nicht nachweisen, auf welche Weise die Spur gesetzt worden wäre, worauf die Staatsanwaltschaft bereits hingewiesen hat."

Kritik: Die Staatsanwaltschaft hat den Sinn der Untersuchung verkannt. Ziel war nur der Nachweis ob DNA des Opfers überhaupt am Draht vorhanden war, also ob Boris F. das Strangwerkzeug selbst konstruiert hat.

 

Erläuterungen zu Punkt 3 (Baum-Spuren)

3. Auch eine vom LKA Berlin am 23.10.98 in Auftrag gegebene Spurenuntersuchung ob Boris je selbst auf den Baum stieg, an dem der Draht befestigt war, wurde bis heute nicht durchgeführt.

Dies war bereits Gegenstand der Beschwerdegründung des RA Kaleck an die Staatsanwaltschaft vom 11.07.2001:

Es ist in der Tat bis zum jetzigen Zeitpunkt der ursprüngliche Untersuchungsantrag von KOK Gerstner vom 23.10.1998 (Bl. 109 der Akte), in dem "um vergleichende Untersuchung mit der Zielstellung gebeten (wurde, WK) ob durch die mögliche Spurenüberkreuzung nachgewiesen werden kann, dass der Geschädigte selbst auf den Baum kletterte", nicht abgearbeitet worden.

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Anlage -4-

Die diesbezügliche Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 18.10.2001 (Frau Nielsen) lautet:

Die Untersuchung der gesicherten Anhaftungen an den Schuhen, der Kleidung und den Händen des Betroffenen sowie des Folienmaterials vom Baum versprach nach Auskunft der Sachverständigen Nehse und Zirpel keine Aussicht auf zweifelsfreie Ergebnisse. Insbesondere hätte weder ausgeschlossen noch sicher bestätigt werden können, dass Boris F---- den Baum hinaufgeklettert ist, abgesehen vom Fehlen einer Aussagekraft, die das eine oder andere Ergebnis - unterstellt, es hätte erlangt werden können – für die weiteren Ermittlungen hätte.

Kritik: Der Bericht (LKA PTU 33 / TN 1998/8661 / UA 33/98/826) der Sachverständigen bezog sich nur auf Bodenanhaftungen und war aus den dort dargelegten Gründen offensichtlich für die Untersuchung wertlos. Die Untersuchung auf Borke an Händen- und Kleidungs-Folien sowie Haare und Fasern an den Baum-Folien ist nicht in der Akte. Auch nicht eine allgemeine Aussage der Sachverständigen in der oben angegebenen Form.

 

Erläuterungen zu Punkt 4 (Fehlendes Drahtstück)

4. Die Untersuchung der LKA PTU zu den Drahtstücken, deren Ergebnis am 11.12.1998 kam zum Ergebnis, dass das zu der Schnittstelle des Erhängungswerkzeug korrespondierende Drahtstück beim Auffinden der Leiche nicht mehr vorhanden war.

Auch dieser Punkt wurde in der Beschwerdebegründung des RA Kaleck vom 11.07.2001 an die Staatsanwaltschaft ausgeführt:

Die Untersuchungen des LKA PTU 23 vom 11.12.1998 erbringen einen weiteren Hinweis auf eine Fremdeinwirkung. Dabei ist die Behauptung in der Einstellungsverfügung nicht nachvollziehbar, wonach das fehlende Passstück in stark korrodierter Form vorhanden sei.

Es ist nicht erkennbar, wie ein "metallisch blankes" Schnittende auf der einen Seite erhalten bleiben soll, auf der anderen Seite aber die Korrosionen alle Merkmale vernichtet haben soll. Dem Untersuchungsbericht sind keinerlei Hinweise auf derart unterschiedliche Korrosionsbedingungen zu entnehmen. Dies lässt sich mit den Bedingungen des Fundortes ebenfalls nicht in Übereinstimmung bringen. Die Darstellung in der Einstellungsverfügung wurde ausdrücklich "ohne weitere Fachkenntnisse" getroffen. Dies ist deswegen nicht akzeptabel, da unmittelbar eine Frage der Fremdeinwirkung betroffen ist.

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Anlage -5-

Die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 18.10.2001 (Frau Nielsen) ging nicht auf die hier vorhanden Nachweismöglichkeit einer Fremdeinwirkung ein:

Das Gutachten der Werkzeugtechnik der PTU beinhaltet die technisch möglichen Aussagen, die zumindest den Schluss zulassen, dass die vorhandene Kombizange wahrscheinlich zum Durchschneiden des Drahtes benutzt worden ist. Weiterführende Untersuchungen, um darüberhingehende Erkenntnisse zu gewinnen, waren nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht möglich.

Kritik: Wir fordern eine schlichte logische Interpretation des vorliegenden Ergebnisses, nicht eine weitere Untersuchung. Eine solche möge doch bitte die Staatsanwaltschaft anordnen, wenn sie an ihrer Behauptung von drastisch unterschiedlichen Korrosionsbedingungen am Tatort, festhalten will.

 

Erläuterung zu Punkt 5 (Todeszeitpunkt - Mageninhalt)

Boris F. verschwand am Samstag dem 17.10.1998 und wurde am Donnerstag, dem 22.10.1998 in einer öffentlichen Grünanlage erhängt tot aufgefunden. Im Bezug auf den Todeszeitpunkt legte sich der Obduzent der gerichtsmedizinischen Untersuchung zunächst auf 12- bis 24 Stunden mit einer gewisser Toleranz bis zu 30 Stunden vor Auffinden fest, also auf die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag oder Dienstag auf Mittwoch.

Nach erweiterten Akteneinsichten kamen erhebliche Zweifel an diesem Todeszeitpunkt auf, die in einem Schriftsatz vom 21. November 1999 von RA Eisenberg der Staatsanwaltschaft ausführlich dargelegt wurden. Anhaltspunkt für die Annahme eines gänzlich anderen Zeitpunktes ist dabei der mittlerweile ausführlich analysierte Mageninhalt des Verstorbenen- eine nur anverdaute Spaghettimahlzeit – und die diesbezüglichen Analysen der Gerichtsmedizin. Es handelt sich bei der Spaghettimahlzeit offensichtlich nicht nur um die von der Mutter des Verstorbenen zubereitete Mittagsmahlzeit des 17.10.1998, auch ist diese nach Aussagen der Gerichtsmediziner nur "anverdaut", also ca. 3-4 Stunden vor dem Tod erst gegessen.

Eine zweifellsfreie Klärung der Frage, ob es sich bei dem Mageninhalt des Verstorbenen um die Mittagsmahlzeit des 17.10.1998 handelt wäre gleichzeitig auch ein eindeutiger Nachweis eines Fremdverschulden, da der ermittelte Todeszeitpunkt und der Erhaltungszustand der Leiche dann nur durch eine zwischenzeitliche gekühlte Verwahrung der Leiche erklärbar wäre.

Obwohl RA Eisenberg eine solche Untersuchung bereits mit Schriftsatz vom 21.11.1999 forderte und die eingeholten Stellungnahmen der Gerichtsmediziner diesen Schritt ebenfalls als sinnvoll bestätigten, wurde die Untersuchung von der Staatsanwaltschaft nicht angeordnet und entsprechend nicht durchgeführt.

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Anlage -6-

Dies war auch Gegenstand der Beschwerde des RA Kaleck an die Staatsanwaltschaft vom 11.07.2001:

Doch beide Gerichtsmediziner kannten zum Zeitpunkt der Untersuchung weder die Akte noch war ihnen der Zeitpunkt des Verschwindens von Boris F---- und die Mahlzeit vom 17.10.1998 bekannt. Allerdings konnten beide Mediziner die Nachuntersuchung als "vernünftig" in ihrem Schreiben vom 28.02.2000 empfehlen, nachdem sie die Hypothesen, die im Schriftsatz von Rechtsanwalt Eisenberg aufgestellt worden waren zur Kenntnis genommen und als theoretisch möglich bewertet hatten.

Eine Verschiebung des Todeszeitpunktes auf den 17.10.1998 wäre dann vereinbar mit allen obduktionstechnischen Befunden. Es ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass die Übereinstimmungen der Beschreibung der Mutter von der letzten Mahlzeit von Boris F---- in ihrem Hause und des identifizierten Mageninhaltes frappierend ist. Denn zum einen wurden die von Obduzenten zunächst als "Salatblätter" bezeichneten Teile als Basilikumblätter identifiziert. Diese Sachlage wurde im Einstellungsbescheid nicht berücksichtigt. Hält die Staatsanwaltschaft die ldentifizierung der Mahlzeit durch die Mutter für nicht ausreichend, so wäre ihre Aufgabe gewesen, die Aussage durch eine detaillierte Nachuntersuchung zu widerlegen

Die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 18.10.2001 (Frau Nielsen) erfasste die Beweismöglichkeit nicht im vollen Umfang:

Die angestellte Überlegung Ihrer Mandantin, ihr Sohn sei bereits am 17. Oktober 1998 getötet, die Leiche anschließend gekühlt und schließlich ein Selbstmord vorgetäuscht worden, ist zwar eine theoretische Möglichkeit, die aber - und zwar auch nach Ansicht des mit den Untersuchungen beauftragten Sachverständigen Dr. Rothschild - schon angesichts der übrigen Befunde als fernliegend zu betrachten ist. Es ist bereits unwahrscheinlich, einen Tötungsvorgang nachträglich als suizidales Erhängungsgeschehen erscheinen zu lassen, ohne dass ein damit einhergehendes Vorgehen zu bei der Obduktion nicht erkennbaren Veränderungen der Befunde an der Leiche – insbesondere bezogen auf die Lage der Strangmarke und ohne Griffspuren zu hinterlassen - zu vollbringen wäre.

Kritik: Nach der Darlegung im Einstellungsbescheid vom 18.05.2001 bezog sich die mündliche Aussage des Sachverständigen Dr. Rothschild nur auf medizinische Aspekte und nicht auf übrige Befunde der Ermittlung. Eine Kühlung der Leiche zur Täuschung der Obduzenten ist zunächst immer fernliegend. Das weitere oben angeführte mag unwahrscheinlich sein. Es ist dennoch möglich und auch in der Kriminalgeschichte bekannt. Ausserdem schrieb Herr Dr. Rothschild am 9.11.2001 an die Eltern auf die Frage: wäre der Leichnam vor der Obduktion 4 Tage fachmännisch gekühlt gelagert worden, hätten Sie dies bemerken müssen?

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Anlage -7-

Die Antwort: Dies hängt natürlich von der Temperatur ab. Vermutlich hätten wir dies aber nicht bemerken können.

Fortsetzung der Stellungnahme Generalstaatsanwaltschaft vom 18.10.2001 (Nielsen):

Der festgestellte Mageninhalt ist demgegenüber kein naheliegender Anhalt für eine derartige Version der Geschehensabläufe. Denn es ist nicht völlig lebensfern anzunehmen, dass ein alltägliches, überall erhältliches Gericht wie Nudeln mit Käse und Basilikum mehrmals nacheinander verzehrt wird, selbst wenn man davon ausgeht, dass es nicht zu den begehrtesten Speisen des Sohnes Ihrer Mandantin zählte.

Kritik: Nach den Ausführungen der Mutter handelt es sich nicht um ein alltägliches, überall erhältliches Gericht. Es hatte von Zusammensetzung und Verarbeitung individuelle Merkmale, so daß durch eine Rezeptvergleichsuntersuchung wie bereits 1999 gefordert, der Nachweis erbracht werden könnte, daß es sich bei dem Mageninhalt um das Mittagessen des 17.10.1998 handelte. Ein solches Ergebnis würde eine Fremdeinwirkung nachweisen.

Fortsetzung der Stellungnahme Generalstaatsanwaltschaft vom 18.10.2001 (Nielsen):

Doch selbst wenn man davon ausgehen würde, der Betroffene sei bereits kurze Zeit nach seinem Verschwinden, am Nachmittag des 17. Oktober 1998, getötet worden und sich dieser Geschehensablauf - trotz der strukturellen Veränderungen der Lebensmittelbestandteile im Verdauungsprozess - anhand einer Untersuchung des Mageninhaltes der Leiche nachvollziehen ließe, würden sich daraus keine Hinweise auf konkrete Täter ergeben, gegen die eine Anklage in Betracht käme, so dass die Erforschung des Sachverhalts in dieser Hinsicht keinen Erfolg verspricht.

Kritik: Die Frage ob ein Mord oder ein Selbstmord vorliegt ist für die Angehörigen von primärer Bedeutung. Sollte die Wiederaufnahme der Ermittlungen einen Mordverdacht bestätigen, wäre es aber nicht Aufgabe der Eltern, sondern der Staatsanwaltschaft den in den Ermittlungsakten bereits vorhandenen Hinweisen auf mögliche Täter nachzugehen. Jedwede Hinweise und Zeugenaussagen auf mögliche Täter wurden bislang unter Annahme eines Suizids von der Staatsanwaltschaft ignoriert.

[ende]

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