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Staatsanwaltschaft Berlin
Turmstr. 91
10559 Berlin

In der Strafdsache gegen
Unbekannt (Todessache Boris F----)

1 Kap Js 1995/98

begründe ich nachfolgend die mit Schreiben vom 06.06.2001 eingelegte Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft vom 18.05.2001

  1. Es mag richtig sein, dass nach den Erfahrungen der Staatsanwaltschaft "mit ähnlich gelagerten Todesermittlungsverfahren" es nichts außergewöhnliches ist, wenn am Ende der Ermittlungen kein konkretes Motiv für einen Suizid erbracht werden konnte. Die Aussagekraft dieses Argumentes ist jedoch begrenzt. Zum einen wird nicht erklärt, wie es zu diesem, sicherlich für alle Beteiligten, recht unbefriedigenden Ergebnis kommt. Letztlich wird aus dieser Aussage nur deutlich, dass die mit einer Vielzahl von ähnlich gelagerten Todesermittlungsverfahren befassten Ermittlungsbeamten und Staatsanwälte gelernt haben, mit Geschichten mit offenen Enden umgehen zu können. Zum andern wird in der Einstellungsverfügung unterschlagen, dass es sich bei dem Toten um eine Person mit herausragenden technischen Fähigkeiten in einem sehr speziellen Gebiet, nämlich kryptographischen Systemen, handelte. Der Zeuge Adams, Vertreter der in diesem Bereich international tätigen Firma

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    NDS berichtete der Mordkommission in seiner Vernehmung am 26.10.1998 (Bd. 1, Bl. 177), dass man "ihn als einen der besten Piraten der ganzen Welt ansehen würde". Entgegen einigen Darstellungen in der Akte war Boris F---- auch kein Student mehr, sondern bereits seit April 1998 Diplom-Ingenieur. Seine Diplomarbeit bestand aus einem Konzept zur Verschlüsselung von Telefongesprächen. Seine Qualifikation wurde von seinem Professor an der Technischen Fachhochschule, dem Zeugen K----- in der Vernehmung vom 21.10.1998 mit den Worten beschrieben: ist Boris der beste Student gewesen, den er seit Jahren gehabt hat" (Bd. 1, Bl. 18).

    Anlass für die Diplomarbeit von Boris F----- waren unter anderem Berichte der Fachpresse (C't 6/97, Artikel wird als Anlage beigefügt), dass die Bundesregierung ein Verbot sicherer Verschlüsselung plane. Die Diskussion war 1998 auf ihrem Höhepunkt. So schrieb die Süddeutsche Zeitung am 07.12.1999: "Mit diplomatischem Druck versuchte 1998 US- Sonderbotschafter David Aaron, die Europäer zu einer restriktiven Verschlüsselungspolitik zu bewegen. Insbesondere frei erhältliche Programme von Universitäten sind den Amerikanern ein Dorn im Auge, denn diese weisen keine NSA-Hintertürchen auf'. Der Artikel wird ebenfalls als Anlage beigefügt.

    NSA meint die National Security Agejgerncy, ein US-Geheimdienst, der spezialisiert ist auf das schwächen und brechen von Verschlüsselungssystemen. Das vom Verstorbenen erfundene Gerät setzte Algorithmen dieser "frei erhältlichen Programme von Universitäten" in eine feste Form um, dass man sie nachträglich nicht mehr mit "Hintertürchen" versehen konnte.

    Es ist wahrscheinlich nur eine sehr unglückliche Koinzidenz, dass Sonderbotschafter Aaron gerade Mitte Oktober 1998, kurz vor dem Verschwinden von Boris F-----, Deutschland besuchte. Diese Umstände und die noch Ende 1998 sehr intensive politische Diskussion über ein mögliches Verbot sicherer Verschlüsselungssysteme geben dem plötzlichen Tod dieses Erfinders eine besondere Aufmerksamkeit der Medien. Die Artikel und Erwähnungen von Boris F----- in der Tagespresse, aber auch in der Fachpresse hören auch drei Jahre nach seinem Tod nicht auf. So wurde in einem Artikel über Fälschungen von Telefonkarten im großen Stil im Spiegel 28/2001 (wird als Kopie beigefügt) der Verstorbene folgendermaßen gewürdigt: "Die Simulatorentechnik stammt noch aus der Frühzeit der Kartentrickserei. Hackerkoryphäen war es zu Beginn der 90iger Jahre gelungen, die Sicherheitsbarrieren der Telefonzellen zu durchbrechen. Zur Legende der Szene stieg ein junger Berliner auf, dem Professor bescheinigte, anderen im Studium um Zehnerpotenzen überlegen zu sein: Boris F. Im Oktober 1998 wurde der Hacker, der sich nach einer Figur aus dem gleichnamigen Walt Disney- Film "Tron" nannte, unter dubiosen Umständen erhängt in einem Berliner Park

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    aufgefunden; bis heute bleibt offen, ob er den falschen Leuten in die Quere gekommen war. Dabei ging es Tron nicht einmal um kriminellen Profit - er wollte nur zeigen, wie leicht Software-Codes geknackt werden können.

    Auch das Interesse von Geheimdiensten an Boris F----- ist in den Akten durch Zeugenaussagen dokumentiert. Der Zeuge D---- S---- bekundete am 24.10.1998 einen Anwerbungsversuch des Bundesnachrichtendienstes (Bd. 1, Bl. 127). Unstrittig war F---- in einem Spannungsfeld tätig, indem sich auch Geheimdienste und organisierte Kriminalität engagieren. Es mutet erstaunlich an, dass vor diesem Hintergrund, vor dem Erscheinen eines Buches über den Fall, dem Erscheinen von Berichten selbst in Ostasien, die Ermittlungsbehörden diesen Vorgängen zumindestens im Einstellungsbescheid nicht mit einem Satz würdigen.

    Die Angehörigen und Freunde eines Verstorbenen mögen - wie der vorliegende Fall eindrücklich zeigt - ein solches Ergebnis jedoch nicht ohne weiteres akzeptieren und verlangen daher zurecht, dass alle Möglichkeiten der Ermittlungsbehörden ausgeschöpft werden, um wenigstens einen Teil der offen gebliebenen Fragen zu beantworten und einen Teil der offenen Möglichkeiten auszuschließen. Das Ärgerliche an den hiesigen Ermittlungen und zugleich der Grund für die Beschwerde ist, dass sie zu viele Fragen offen lassen.

  2. Das entscheidende Problem für den Unterzeichnenden ist, dass in der Tat nach fast dreijährigen Ermittlungen wenig konkretisierbare Anhalte für ein Tötungsdelikt durch Dritte und vor allem keine Hinweise auf einen oder mehrere Täter ermittelt wurden. Dieser Befund ist jedoch für sich genommen auch wenig aussagekräftig. Er kann Ergebnis nicht besonders qualitätsvoller Ermittlungen, einer von vornherein aussichtlosen Beweislage und/oder eines besonders intelligent durchgeführten Verbrechens sein oder tatsächlich für einen Suizid sprechen.
  3. Allerdings sind die vorliegenden Untersuchungsergebnisse insofern unvollständig, als dass Fragen die mit dem Verschwinden des Boris F----- aufkamen und beim Auffinden der Leiche auch von den Ermittlungsbehörden gestellt wurden, bis heute unbeantwortet blieben.

  4. Es ist daher unumgänglich, sich die Ausgangssituation nach dem Verschwinden von Boris F----- aus der mütterlichen Wohnung am Samstag, den 17.10.1998 gegen 14.00 Uhr nachmittags noch einmal zu vergegenwärtigen. Das Interessante am hiesigen Fallgeschehen
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    ist doch, dass zwischen dem Verschwinden des später Verstorbenen aus absolut geordneten und geregelten Verhältnissen und seinem Wiederauftauchen als Toter nach fünf Tagen am 22.10.1998 eine zeitliche Lücke von wahrscheinlich vier, mindestens aber drei Tagen klafft, die nach allen Ermittlungsergebnissen nicht erklärbar ist. Diesen Umstand würdigt die Staatsanwaltschaft in ihrem Einstellungsbescheid nicht. Dabei ist es doch gerade dieser Umstand, der den Fall so befremdlich erscheinen lässt und zu einer Vielzahl von Spekpationen sowie zur Aufstellung verschiedenster Hypothesen führte.

    Der Staatsanwaltschaft muss vehement widersprochen werden, wenn sie feststellt, dass die Ermittlungen lediglich kein konkretes Motiv für einen Suizid ergeben hätten. Denn die Ermittlungen haben im Gegenteil eine Vielzahl von Indizien ergeben, die gegen einen Suizid sprechen. Mit Hilfe der beiden Elternteile sowie mit Hilfe der engsten Freunde des Verstorbenen konnte praktisch sein gesamtes persönliches, berufliches und familiäres Netz nachgezeichnet werden. Danach ergibt sich das Bild eines 26 jährigen jungen Mannes, der noch sehr eng mit seinen Eltern verbunden ist. Er wohnt in einer gemeinsamen Wohnung mit seiner Mutter, Frau ------. Er nimmt alle Mahlzeiten im Hause der Mutter ein, so zuletzt die Mahlzeit am Nachmittag seines Verschwindens am 17.10.1998. Die Eltern sind außergewöhnlich gut über den Umgang des jungen Mannes informiert und können eine Vielzahl von Kontakten benennen. Fehlende Einzelheiten können seine Umgangspersonen aus der Computer-Szene berichten. Es stößt daher schon merkwürdig auf, wenn die Mutter, Frau ----- berichtet, dass ihr Sohn noch nicht einmal über Nacht weggeblieben war, ohne ihr vorher Bescheid zu geben. Denn nach den bisherigen Feststellungen soll er drei bis vier Nächte woanders verbracht haben. Dabei lässt sich im nachhinein weder aufklären, wo er die Nächte noch wo er die restliche Zeit zwischen seinem Verschwinden und seinem Auffinden verbracht haben soll. Dies gilt vor allem angesichts der oben ausgeführten Tatsache, dass praktisch sein gesamtes soziales Netz nachvollzogen werden konnte und nicht ein einziger Anhaltspunkt dafür existiert, wo er diesen Zeitraum verbracht haben soll.

    Nun mag es grundsätzlich nichts außergewöhnliches sein, dass Eltern von dem Suizid eines Kindes überrascht sind, und dass sie mit natürlichen Schuldgefühlen umzugehen haben. Im hiesigen Falle spricht jedoch alles dafür, dass der Befund der Eltern, wonach ein Motiv für einen Selbstmord aus ihrer Sicht nicht gegeben war, kein Mittel der Selbstberuhigung war. Denn die Eltern hatten ein vertrauensvolles Verhältnis zu Boris F-----. Sie haben mit substantiierten Tatsachen belegen können, dass ein Motiv für einen Selbstmord ebenso wenig vorlag wie eine Veränderung in seinem Verhalten in den Tagen und Wochen vor dem 17.10.1998 feststellbar war. Dieser Befund konnte durch Einvernahme einer Vielzahl von weiteren Kontaktpersonen wie Freunden, Bekannten und Arbeitskontakten bekräftigt werden.

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    Besonders bemerkenswert erscheint dabei, dass er sich ganz kurze Zeit vor seinem Verschwinden mit seinem Freund D---- S---- für den Abend des 17.10.1998 verabredet hatte und diese Verabredung nicht eingehalten hat. Denn wenn Boris F----- schon zu diesem Zeitpunkt die Absicht gehabt hätte, sich umzubringen, hätte er dies ohne weiteres bereits am 17.10.1998 tun können. Wenn er diese Absicht noch nicht hatte, wofür die meisten Indizien sprechen, gibt es keinen Grund, warum er eine kurz zuvor gemachte Verabredung mit einem seiner engsten Freunde nicht wahrnimmt, noch nicht einmal absagt. Durch diese nicht wahrgenommene Verabredung werden sowohl die Familie als auch seine Freunde und Bekannten aufmerksam. Bereits von Samstagabend an telefonieren die Freunde, Bekannte und Familienangehörigen weitere mögliche Kontakte ab, um Boris F----- aufzufinden. Dabei mutet es höchst befremdlich an, dass er - unterstellt seine Suizidabsicht - diesen Suizid nicht sofort umsetzt. Wenn er aber diese Absicht zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehabt hat, besteht kein Anlass für ihn, sein gesamtes soziales Netz für mehrere Tage vollkommen zu meiden, was umso schwerer wiegt angesichts der Tatsache, dass sich der junge Mann vorher in einem sehr eingeschränkten Kreis von Leuten bewegt hat.

    Das einzige, vor allem von der Kriminalpolizei (vgl. Bd. 1, Bl. 58 ff) ins Spiel gebrachte Motiv, war die drohende Einberufung zur Bundeswehr. Zwar sollte durch letztlich nicht wirksam zugestellten Bescheid des Kreiswehrersatzamtes vom 19.10.1998 die Tauglichkeit von Boris F----- festgestellt werden. Er hätte jedoch gegen diesen Bescheid die Möglichkeit des Widerspruchs und der Klage vor dem Verwaltungsgericht gehabt. Eine Einberufung wäre in einem solchen Fall aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches nicht möglich gewesen. Zudem geht aus mehreren Zeugenvernehmungen hervor, dass sich Boris F----- mit der Beratungsstelle "Kampagne gegen die Wehrpflicht" in Verbindung gesetzt und sich bereits über die Möglichkeiten der Stellung eines Kriegsdienstverweigerungsantrages informiert hatte. Dieser Antrag hätte ebenso wie der Widerspruch gegen den Tauglichkeitsbescheid aufschiebende Wirkung gehabt. Eine Einberufung zum Zivildienst hätte somit theoretisch frühestens ein gutes halbes Jahr nach Oktober 1998 erfolgen können. Zudem hatte Boris F----- schon durch die Kontakte zur Beratungsstelle und auch zu seinem Bekannten H----- hinlänglich Vorkehrungen getroffen. Das Problem und die Behinderung seiner beruflichen Karriere wäre, wenn überhaupt ein gutes halbes Jahr später aufgetreten.

    Dies ist der Hintergrund vor dem die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der 3. Mordkommission zu sehen sind. Dies ist auch der Hintergrund für die Kritik, die die Familienangehörigen und Freunde von Boris F------ an der Arbeit der Ermittlungsbehörden geübt haben und üben.

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  6. Konkrete Hinweise auf konkrete Täter konnten zwar von den Ermittlungsbehörden nicht erbracht werden. Es sind jedoch genügend Hinweise dafür erbracht worden, dass ein Fremdverschulden nicht auszuschließen war. Diesen Hinweisen wurde seitens der Ermittlungsbehörden entweder nicht oder nur sehr unzureichend nachgegangen. Eine mögliche Erklärung hierfür mag sein, dass die Ermittlungsbehörden sich bereits in einem sehr frühen Stadium auf einen Suizid als Todesursache festlegten. Es erschien dann unnötig, Spuren zu verfolgen, die andere Todesumstände hätten belegen können. Wie oben (unter 1.) bereits ausgeführt, war Boris F----- war kein normaler 26 jähriger Student, an dem niemand ein gesteigertes Interesse hatte. Vielmehr wurde durch diverse Freunde, Bekannte und Arbeitskontakte überzeugend dargelegt, dass Boris F----- ein herausragender Computerexperte war, an dessen Spezialgebiet der Analyse von Verschlüsselungsverfahren sowohl illegale Unternehmen, als auch Geheimdienste ein höchstes Interesse gehabt haben können.

  7. Der Beweis des ersten Anscheines spricht also für ein Fremdverschulden. Deswegen ist auch aus Sicht des Unterzeichnenden, von den Angehörigen und den Freunden zu schweigen, nicht verständlich, warum die Ermittlungsbehörden nicht alle Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung standen ausgeschöpft haben.

    Man mag das Schreiben des Herrn Andy Müller-Maguhn vom 12.05.2001 als unsachlich oder polemisch empfinden. Diese Deutung liegt nahe, weil das Schreiben im Zusammenhang mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde und Vorwürfen gegen den ermittlungsführenden Staatsanwalt und Kriminalbeamte stand. In der Sache bleiben die in diesem Schreiben von Müller-Maguhn aufgeworfenen Fragen jedoch unbeantwortet. Es ist in der Tat bis zum jetzigen Zeitpunkt der ursprüngliche Untersuchungsantrag von KOK Gerstner vom 23.10.1998 (Bl. 109 der Akte), in dem "um vergleichende Untersuchung mit der Zielstellung gebeten (wurde, WK) ob durch die mögliche Spurenüberkreuzung nachgewiesen werden kann, dass der Geschädigte selbst auf den Baum kletterte", nicht abgearbeitet worden. Zwar hat der Untersuchungsbericht der PTU vom 28.12.1998 in der Tat einen hohen Anteil an botanischen Rotteprodukten und Bodensubstrat an den von den Füßen des Geschädigten gesicherten Klebebändern ebenso ergeben, wie geringfügige Kontaminierungen von dem Klebebändern, die von den Händen des Geschädigten gesichert wurden. Eine vergleichende Untersuchung wurde jedoch nicht vorgenommen. Diese hätte möglicherweise ergeben, dass die auf dem Boden befindlichen Rotteprodukte und botanischen Substanzen andere sind als diejenigen, die sich am Baumstamm befinden. Hätte man solche vom Baumstamm gesichert

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    und mit den auf den Klebebändern gesicherten Substanzen verglichen, wäre bei einer Übereinstimmung ein sehr starkes Indiz für einen Selbstmord gefunden worden. So bleibt auch dieses Untersuchungsergebnis merkwürdig offen, zumal im Einstellungsbescheid zurecht festgestellt wird, dass auch eine Sekundärkontamination in Betracht kommt. Aber auch diese letzte Feststellung ist nicht substantiiert, da keine Aussage darüber getroffen wurden, ob die Klebebänder von den Handinnenflächen und von der Fußsohle genommen wurden und ob dort eine Kontaminierung durch das Abnehmen der Leiche und die anschließende Leichenschau auf dem Boden vor dem Baum überhaupt möglich gewesen wäre.

    Ähnliches gilt für die nicht durchgeführte DNA-Untersuchung hinsichtlich von Spuren am Gürtel und den Drähten, die zum Aufhängen des Körpers benötigt wurden. Hierzu ist in dem Einstellungsbescheid alles erforderliche ausgeführt: die DNA-Untersuchung wurde zunächst nicht durchgeführt und später nicht als erforderlich gezeichnet. Dies ist angesichts des oben Ausgeführten ein weiteres Versäumnis.

    Die Untersuchungen des LKA PTU 23 vom 11.12.1998 erbringen einen weiteren Hinweis auf eine Fremdeinwirkung. Dabei ist die Behauptung in der Einstellungsverfügung nicht nachvollziehbar, wonach das fehlende Passstück in stark korrodirder Form vorhanden sei. Es ist nicht erkennbar, wie ein "metallisch blankes" Schnittende auf der einen Seite erhalten bleiben soll, aber auf der anderen Seite aber die Korrosionen alle Merkmale vernichtet haben soll. Dem Untersuchungsbericht sind keinerlei Hinweise auf derart unterschiedliche Korrosionsbedingungen zu entnehmen. Dies lässt sich mit den Bedingungen des Fundortes ebenfalls nicht in Übereinstimmung bringen. Die Darstellung in der Einstellungsverfügung wurde ausdrücklich "ohne weitere Fachkenntnisse" getroffen. Dies ist deswegen nicht akzeptabel, da unmittelbar eine Frage der Fremdeinwirkung betroffen ist.

    Hinsichtlich der mehrfach angeregten Untersuchungen darüber, ob sich der festgestellte Mageninhalt, auf eine zuhause eingenommene Mahlzeit zurückführen bzw. mit den übrigen gerichtsmedizinischen Befunden in Übereinstimmung bringen lässt, ist an anderer Stelle genügend ausgeführt worden. Es sei noch einmal ausdrücklich auf die Schriftsätze von Rechtsanwalt Eisenberg vom 21.11.1999 sowie den hiesigen Schriftsatz vom 21. 12.2000 und die Dienstaufsichtsbeschwerde vom 06.03.2001 verwiesen. Die Staatsanwaltschaft stellt zurecht das wissenschaftliche Ansehen von Prof. Dr. Dr. Schneider und PD. Dr. Rothschild heraus. Doch beide Gerichtsmediziner kannten zum Zeitpunkt der Untersuchung weder die Akte noch war ihnen der Zeitpunkt des Verschwindens von Boris F----- und die Mahlzeit vom 17.10.1998 bekannt. Allerdings konnten beide Mediziner die Nachuntersuchung als

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    "vernünftig" in ihrem Schreiben vom 28.02.2000 empfehlen, nachdem sie die Hypothesen, die im Schriftsatz von Rechtsanwalt Eisenberg aufgestellt worden waren zur Kenntnis genommen und als theoretisch möglich bewertet hatten. Eine Verschiebung des Todeszeitpunktes auf den 17.10.1998 wäre dann vereinbar mit allen obduktionstechnischen Befunden. Es ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass die Übereinstimmungen der Beschreibung der Mutter von der letzten Mahlzeit von Boris F---- in ihrem Hause und des identifizierten Mageninhaltes frappierend ist. Denn zum einen wurden die von Obduzenten zunächst als "Salatblätter" bezeichneten Teile als Basilikumblätter identifiziert. Diese Sachlage wurde im Einstellungsbescheid nicht berücksichtigt. Hält die Staatsanwaltschaft die ldentifizierung der Mahlzeit durch die Mutter für nicht ausreichend, so wäre ihre Aufgabe gewesen, die Aussage durch eine detaillierte Nachuntersuchung zu widerlegen. Insofern können sie die sich aus der Akte ergebenen Fragen und Problemstellungen selbstverständlich auch nicht nachvollziehen.

    Die Hypothese, die zur Anregung der Mageninhaltsuntersuchung führte, mag eine gewagte sein. Aber auch diesbezüglich gilt was bereits an mehreren Stellen in der Beschwerde ausgeführt wurde, dass nämlich bei starken Indizien für ein Fremdverschulden, auch solchen eher fernliegenden Möglichkeiten nachgegangen werden muss, um so viele Fragen wie möglich beantworten zu können.

Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten, dass der Abschluss der Ermittlungen zwar nicht zeitlich, jedoch sachlich verfrüht war und dass die aufgeführten Ermittlungen und kriminaltechnischen Untersuchungen durchzuführen sind.

Die Familienangehörigen und Freunde des Verstorbenen wären auf keinen Fall bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen, ohne die selbst von Kriminalbeamten angeregten Untersuchungen durchzuführen und den noch offenen Fragen nachzugehen.

Im übrigen wird ausdrücklich beantragt,

Kaleck
Rechtsanwalt

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